Steuerlein*21

Aus Johann Steuerleins Reimbibel
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STEUERLEIN*21[1] ist ein Teilprojekt der Gesamtedition von Johann Steuerleins "Reimbibel" (1611).

Das Minimalziel ist, zumindest die Evangelien der Sonn- und Feiertage (Perikopenreihe I), sowie weitere Texte der aktuellen Perikopenordnung der EKD (2018) in einer separaten Edition herauszugeben.
Orthographie und Zeichensetzung von Steuerleins in Frühneuhochdeutsch (mit geringen mundartlichen Einschlägen) verfassten Texten werden dabei in dieser Ausgabe dem heutigen Stand angepasst. Wo es für das Verständnis des Textes nötig und möglich ist werden geringfügige Überarbeitungen der Wortwahl, bevorzugt nach dem Text der Lutherbibel 2017, vorgenommen. Steuerleins Endreime sollen dabei möglichst unangetastet bleiben.
Das Projekt ist auch etwas für Kreative:
Wo immer es nicht möglich ist (weil etwa die Wortwahl veraltet und/oder unverständlich ist) soll auch auf eigene Reime zurückgegriffen werden. Das gleiche gilt dort, wo Steuerlein Verse oder Abschnitte gar nicht gereimt hat.

Johann Steuerleins Texte, die in enger Anlehnung an die Lutherbibel von 1545 gereimt wurden, eignen sich für die Lesung im Gottesdienst, bei Andachten und Predigten.

Beispieltext I: Lukas 10,[25-]30-37 (13. Sonntag nach Trinitatis)

Steuerlein hat lediglich die Verse 30-37 gereimt. Die Verse 25 bis 29 sind nach dem Text von Luther (2017) neu gereimt. Beim Vortrag der Reime ist Steuerleins Metrum zu beachten. Es ist fast immer ein vierhebiger Jambus, bei dem jeweils die zweiten Silben betont sind (da-DA da-DA da-DA da-DA). Beispiel: "Gab sie dem Wirth, Sprach: Pfleg sein sehr." Dies kann der natürlichen Betonung eines Wortes manchmal zuwiderlaufen, ist aber im Vortrag dennoch durchzuhalten. Beispiel: "Von Je-ru-sa-lem seine Reis". Bei "Jerusalem" liegt die Hauptbetonung üblicherweise auf der zweiten Silbe (je-RU-sa-lem), in Steuerleins Vers dagegen erzwungenermaßen auf der ersten und dritten. Wegen des Metrums sind auch oft Silben gekürzt (z.B. "ab'r" (1 Silbe) statt "a-ber" (2 Silben)). Empfehlungen für Sprechpausen mitten im Vers sind mit "/" kenntlich gemacht.

Steuerlein (1611) STEUERLEIN*21
[Und siehe, da stand auf den Tag**
Ein G'setzeslehrer mit ein‘ Frag‘**
Versuchte ihn und sprach: Meister,**
Was muss ich tun – sag mir die Lehr‘ –,**
Dass ich das ewig‘ Leb'n gewinn?**
Darauf er aber sprach zu ihm:**
Was steht denn im Gesetze nun**
Geschrieben; was liest du, sollst tun?**
Er antwortet und sprach – ohn‘ Spott:**
Du sollst den Herren, deinen Gott,**
Von ganzem Herzen lieben recht**
Von ganzer Seele – mir nachsprecht –**[2]
Und mit all deiner Kraft so weit**
Und dei‘m ganzen Gemüt allzeit**
Und deinen Nächsten wie dich selbst.**
Damit du ihn und dich erhältst.**
Er aber sprach zu ihme: Du**
Hast recht geantwortet; Dies tu,**
So wirst du leben gar nicht schlecht.**
Er aber wollte sich selbst recht-**
Fertigen und zu Jesus sprach:**
Wer ist mein Nächster? Es mir sag.]**[3]
Jhesus Einem ein Gleichnis sagt, Jesus darauf ein Gleichnis sagt,
Von einem Menschen, der da macht Von einem Menschen, der da macht
Von Jerusalem seine Reis, Von Jerusalem seine Reis'
Gen Jericho, Vnd böser weis Nach Jericho, und böser Weis'
Fiel vnter die Mördrische Rott Fiel unter die mörd'rische Rott'
Die Jhn ließen ligen halb Todt. Die ließen liegen ihn halbtot.
Ein Priester wehr dieselbe Straß Ein Priester war dieselbe Straß'
furvbergangen. Gleichermaß Vorüberg'gangen; gleichermaß'
Auch ein Leuit, die, beide Mann, Auch ein Levit, die – beide Mann –
hetten gethan, alß giengs nichts ahn. Haben getan, als ging's nichts an.
Ein Samariter abr Jhn fandt, Ein Samariter ab'r ihn fand,
Aus Jammern sein Wunden verbandt, Aus Jammern / sein' Wunden verband,
Vnd goß Jhm drein, Oele vnd Wein, Und goß ihm d'rein / Öle und Wein
Vnd hub Jhn fein, aufs Thierle[i]n sein. Und hob ihn fein / auf's Tierlein sein,
Jhn Jn die Herberg führt hienein, Ihn in die Herberg' führt hinein,
Vnd auf das beste pflegte sein. Und auf das Beste pflegte sein.
Deß andern Tags Er ferner reist, Am nächsten Tag er weiter reist,
Mit Zween Groschen sein Lieb beweist, Mit zwei Groschen sein Lieb' beweist.
Gab Sie dem Wirth, Sprach: Pfleg sein sehr, Gab sie dem Wirt, sprach: "Pfleg ihn sehr
Vnd so du darthun wirst was mher, Und falls du geben wirst noch mehr
So wil Jch es bezhalen dir, So will ich es bezahlen dir,
Wenn Jch nhu widerkohmme hier. Senn ich nu' wiederkomme hier."
Welcher dünckt dich, der gewesen sey Welcher meinst du, wer g'worden sei
Der Nehest, vnter diesen drey, der Nächste – unter diesen drei –
Dem, der mit großer Leibsgefahr, Sem, der mit großer Leibsgefahr
Vnter die Mörder gfallen war? Unter die Mörder g'fallen war?
Er sprach: Der die Barmhertzigkeit Er sprach: "Der die Barmherzigkeit
An Jhm that, Macht den Vnterscheidt. An ihm tat / macht den Unterscheid."
Da sprach Jhesus Zu Jhme: Nhu, Da sprach Jesus zu ihme: "Nu',
So geh hin, vnd deßgleichen thu. So geh hin / und desgleichen tu'."

Beispieltext II: Markus 10:17-22[23-27 = Matthäus 19:22-27] (18. Sonntag nach Trinitatis)

Der zweite Teil der Perikope (Jesu Rede an seine Jünger) findet sich bei Steuerlein nur in der Parallele in Matthäus 19:22-27.

Steuerlein (1611) STEUERLEIN*21
Für Jhesu lief forn einer her Zu Jesus lief vorn einer her
Kniet fur ihn, fragt mit beger, Kniët vor ihm, fragt mit Begehr:
Guter Meister, was sol ich thun, "Guter Meister, was soll ich tun,
das Ich das ewig leben nhun, Dass ich das ewig' Leben nun
ererbe? Aber Jhesus sprach: Ererbe?" Aber Jesus sprach:
Was heißestu mich gut, Ich frag? "Was heißest du mich gut, ich frag?
Niemand ist guth , Noch kan es sein, Niemand ist gut, noch kann es sein,
Denn nhur der einig Gott allein, Denn nur der eine Gott allein.
Du weissest je wol auszusprechen Du wissest ja wohl auszusprechen
Die Gbot: Du solt nicht Ehebrechen. Die G'bot': Du sollst nicht ehebrechen;
Deßgleichen auch, du solt nicht tödten, Desgleichen auch: Du sollst nicht töten;
Deym Nechsten helffen in Leibsnöten, Dei'm Nächsten helfen in Leibsnöten.
Du solt nicht stelen. Du solt nicht Du sollst nicht stehlen; Du sollst nicht
Falsch Zeugnis reden, wider pflicht. Falsch Zeugnis reden / wider Pflicht.
Du sol[s]t niemand teuschen, noch effen, Du sollst niemand' täuschen, noch äffen[4];
Im Handel niemand bößlich treffen. Im Handel niemand' böslich treffen.
Ehre den Vattr vnd Mutter dein, Ehre den Vat'r und Mutter dein
Vnd was dieser Gebott mher sein. Und was dieser Gebot' mehr sein."
Er antworttet: Meister, Caplahn, Er antwortet: "Meister, Kaplan,
Das hab Ich alles schon gethan, Das hab' ich alles schon getan
von meiner Jugend auf, bißher. Von meiner Jugend auf bisher."
Jhesus ihn ansah, liebt ihn sehr, Jesus ihn ansah – liebt ihn sehr –
Vnd sprach zu Ihm: Eins feilet dir, Und sprach zu ihm: "Ein's fehlet dir.
Geh hin Itzund[5] so bald von Mir, Geh hin jetzt gleich so bald von mir,
Verkeuffe alles, was du hast Verkaufe alles, was du hast,
Vnd gibs den Armen, (nichts verbrasst) Und gib's den Armen – nichts verprasst.
So wirstu durch solch allmaß Gaben, So wirst du durch solch' allmaß' Gaben
Eyn grossen Schatz Jm Himel haben, ein' großen Schatz im Himmel haben;
Vnd alßdann komm, folge mir nach, Und alsdann komm, folge mir nach
Vnd nimm das Creutz auf dich, es trag. Und nimm das Kreuz auf dich; es trag."
Er aber vber dieser Redt, Er aber über diese Red'
Vnmuths ward, vnd ging von der stedt Unmuts ward / und ging von der Stätt'
Gar trawrig, Jm mißfiel der Rath, Gar traurig – ihm missfiel der Rat –;
Denn Er vbraus viel Gütter hatt. Denn Er üb'raus viel Güter hatt'.
-- --
Jhesus zu seinen Jüngern sprach: Jesus zu seinen Jüngern sprach:
Das Hertz henget dem Reichthumb nach, "Das Herz hänget dem Reichtum nach.
Warlich Ich sage Euch, den Steig Wahrlich, Ich sage euch, die Steig':
Wird schwerlich treffn Ins Himmelreich Wird schwerlich find'n‿ins Himmelreich
Ein Reicher: Weittr Ich Euch sag, Ein Reicher. Weiter ich euch sag:
Leichter ists vnd geschehen mag, Leichter ist's und geschehen mag,
Das ein Kamel dort etwa steh, Dass ein Kamel dort etwa steh'
Vnd durch ein Nadelöhr hingeh, Und durch ein Nadelöhr hingeh',
Denn das ein Reicher vnd seins gleich, Als dass ein Reicher und sein'sgleich'
Kohme vnd fahr In Gottes Reich, Komme und fahr in Gottes Reich.
[Sie sich entsetzten noch viel mehr**
Sprachen untereinander: Wer,**
Ja wer, kann dann noch selig werden?**
– Ist’s dennoch möglich hier auf Erden? –**
Jesus sie ansah, sprach: Hört mich,**
Bei‘n Menschen ist es unmöglich,**
Aber bei Gott – bei ihm es ging‘ –**
Bei Gott sind möglich alle Ding‘.]**[6]

Anmerkungen

  1. Anmerkung zum Namen: Das Asterisk (*) symbolisiert die 'Transformation' (geringfügige Überarbeitung) von Steuerleins originalem Werk für Leser des 21. Jahrhunderts.
  2. Der vom Gesetzeslehrer zitierte Text stammt aus Deuteronomium 6:5 und ist Teil des Gebets Schma Israel, weshalb sich der Reim "mir nachsprecht" inhaltlich besonders anbietet.
  3. Nach Lukas 10:25-29 neu gereimt.
  4. frnhd.: betrügen, täuschen
  5. frnhd: jetzt
  6. Neu gereimt nach Markus 10:26-27.